Das Projekt Bank für Gemeinwohl auf der Zielgeraden??
Viel Interessantes gibt es wieder von der Genossenschaft für Gemeinwohl zu berichten.
Die Genossenschaft für Gemeinwohl treibt bekanntlich seit einigen Jahren das Projekt voran, in Österreich eine ethische Bank aus der Mitte der Gesellschaft zu gründen.
Vieles wurde dabei schon erreicht, manches aber auch nicht. Denn viele Mitgründer*innen warten schon ungeduldig darauf, endlich auch ein gemeinwohlorientiertes Konto eröffnen zu können.
Antrag für Gemeinwohlkonto eingereicht
Diesem Ziel ist das Projekt nun einen großen Schritt nähergekommen. Die Gemeinwohl Zahlungsdienstleistungen AG – eine eigens gegründete Tochtergesellschaft der Genossenschaft - hat am 13. September einen Antrag auf Erteilung einer Konzession nach dem Zahlungsdienstegesetz bei der österreichischen Finanzmarktaufsicht eingereicht. Damit wird Neuland betreten, da es sich dabei um ein sehr junges Gesetz handelt.
Geht alles gut, kann die Genossenschaft für Gemeinwohl ab nächstem Jahr dann ihr Gemeinwohlkonto anbieten. Ein Online-Konto mit Gemeinwohlbeitrag.
Die GLS-Bank beteiligt sich
Unterstützt wird die Genossenschaft dabei von der deutschen GLS-Bank – einer der bedeutendsten ethischen Banken Europas, die bereits seit über 40 Jahren erfolgreich am Markt ist. Die GLS beteiligt sich mit rund 500.000 Euro an der Gemeinwohl Zahlungsdienstleistungen AG und bringt auch viel Know-how mit in das Projekt ein. Dies kann durchaus als Ritterschlag und auch als Beweis dafür angesehen werden, dass das Projekt mit dem Endziel der Gründung einer ethischen Vollbank, schon weit aus seinen Kinderschuhen herausgewachsen und durchaus ernst zu nehmen ist.
Crowdfunding-Plattform und Akademie sind aktiv
Doch auch sonst ist die Genossenschaft österreichweit sehr aktiv und wurden viele neue Meilensteine erreicht.
Bereits mehr als 5.500 Menschen haben sich mit durchschnittlich mehr als 700,- Euro in ganz Österreich an der Genossenschaft beteiligt – gut 400 davon in Vorarlberg.
Insgesamt wurden damit bis dato bereits über 4 Mio. Euro Genossenschaftskapital eingesammelt.
Ebenso seit kurzem, ist über www.gemeinwohlprojekte.at die Crowdfunding-Plattform der Genossenschaft online gegangen und wurden bereits einige gemeinwohlorientierte Projekte ausfinanziert. „Durch die Besonderheit der Gemeinwohl-Prüfung bieten wir allen Unterstützer*innen die Sicherheit, dass ihr Geld sinnvoll eingesetzt wird – ganz gleich, ob als Spende oder als Investition. Übrigens: Unserer Vision folgend, laden wir bei Investitions-Projekten zum Zinsverzicht ein.“ – meint Patrick Zaunfuchs, der Koordinator Crowdfunding für Gemeinwohl.
Und last but not least ist bereits seit 2015 die Akademie für Gemeinwohl mit Bildungsangeboten zu Geld und Ethik operativ.
„Denn der Wandel kommt von unten oder gar nicht!“
Christina Buczko leitet diese Akademie seit gut 4 Monaten und wir haben Ihr einige Fragen gestellt:
Christina, seit vier Monaten bist du im Team unserer Genossenschaft, was motiviert dich?
Das Finanzsystem ist eines der Fundamente unserer Gesellschaft und ich kenne kein anderes Projekt, das mit einem konkreten Gegenmodell an diesem Fundament kratzt. Eine Bank aus der Mitte der Zivilgesellschaft heraus zu gründen, das ist außergewöhnlich. Denn der Wandel kommt von unten oder gar nicht! Wenn das Projekt erfolgreich ist, wird es beispielgebend wirken für alle, die die Gesellschaft neu gestalten möchten.
Welche Ziele verfolgst du mit der Akademie für Gemeinwohl?
Die Akademie eröffnet einen Raum für kritischen Austausch und Begegnung rund um Finanzthemen. Das ist ein weißer Fleck in Österreich und der Bedarf an Aufklärung ist groß. Die wenigsten durchschauen, wie unser Finanzsystem funktioniert. Wir möchten den Mainstream-Diskurs verlassen und kritische Denker*innen einladen. Wir geben den Menschen Werkzeuge in die Hand, um unser Geldsystem zu hinterfragen und selbst aktiv zu werden.
Wieso gibt es in Österreich so wenige Räume für kritische Auseinandersetzung mit dem Finanzsystem?
An den Universitäten ist immer noch die neoklassische Wirtschaftstheorie tonangebend. Die Wirtschaftswissenschaften befinden sich in einer speziellen Situation: Sie möchten allgemein gültige Parameter definieren und sind aber eine unscharfe Sozialwissenschaft. Ich war selbst im Wissenschaftsbetrieb tätig: Die Themen und Ausschreibungskriterien haben sich sehr verengt, kritisches Denken wird kaum gefördert. Die herrschenden Machtinteressen finden auch Ausdruck in der Medienberichterstattung – wenn es etwa wiederholt heißt, hohe Löhne schaden der Wirtschaft. Es wird immer schwieriger, Dinge zu hinterfragen. Die Parteipolitik driftet nach rechts ab, die Interessen von großen Teilen der Bevölkerung finden sich kaum noch repräsentiert. Daher müssen wir selbst initiativ werden.
Ich glaube, dass Menschen grundsätzlich kooperationsbereite Wesen sind. „Jeder gegen jeden“, wie im Neoliberalismus gepredigt, kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Hier möchte ich mit der Akademie für Gemeinwohl Antworten auf das Unbehagen der Menschen rund ums Finanzsystem bieten: Warum werden große Banken gerettet? Warum kauft die EZB Staatsanleihen?
Wie geht es mit der Akademie im Herbst weiter?
Wir veranstalten Vorträge und Diskussionsveranstaltungen zu verschiedenen Themen sowie Workshops und Seminare, die eine vertiefte Auseinandersetzung zu einem Thema ermöglichen. Themen werden unter anderem sein: die Auswirkungen des Finanzkapitals auf verschiedene Lebensbereiche, Bargelddebatte, Kryptowährungen, ethisches Banking, die Rolle der Banken im Klimaschutz und die Diskussion von Pro und Kontra zum Grundeinkommen. Die Akademie für Gemeinwohl versteht sich als Raum für Diskussion, Austausch und gegenseitiges Kennenlernen. In diesem Sinne möchte ich insbesondere unsere Genossenschafter*innen, aber auch all jene, die sich für die Hintergründe unseres Geld- und Finanzsystems interessieren, sehr herzlich dazu einladen, unsere Angebote zu nutzen!
Akademieveranstaltungen erstmals auch in Vorarlberg
Und so eine Akademieveranstaltung wird es im Herbst in Zusammenarbeit mit der Talente- und der Bodensee Akademie erstmals auch in Vorarlberg geben.
Auftakt wird am 16. November in St. Arbogast ein Vortrag von Paul Schreyer zum Thema „Wer regiert das Geld“ sein. In einer Workshopreihe ab 24.11. mit Michael Zorn und Ulrike Amann finden wir dann Zeit, das Thema zu vertiefen und uns generell mit unserem Finanzsystem und seinen Auswirkungen auseinanderzusetzen, alternative Modelle aufzuzeigen und eine positive Gestaltung der Zukunft zu entwickeln.
Zielgerade in Sicht
Auf die Frage, ob sich das Projekt Bank für Gemeinwohl damit bereits auf der Zielgeraden befindet meine ich: „Auf das Endziel, der Gründung einer ethischen Vollbank bezogen, befinden wir uns wohl noch nicht auf der Zielgeraden, doch sie ist in Sicht. Und wenn auch noch ein Stück des Weges zu gehen ist, dann ist doch gerade in diesem Projekt der Weg selbst auch das Ziel, auf dem wir viele Menschen erreichen und dazu anregen können, sich über eine Grundsäule unserer Gesellschaft – unser Finanzsystem – konstruktive Gedanken zu machen und dieses Feld nicht ausschließlich den Herrschenden und Regierenden zu überlassen.“