Home / Zum Nachlesen & Hören / Geld zum Wohle aller - Teil 10/3: Geld ohne Zinsen

Geld ohne Zinsen

Am besten gefällt mir das Modell der kleinen schwedischen JAK-Bank – ihre drei Buchstaben stehen für Jord, Arbete, Kapital, zu Deutsch Land, Arbeit, Kapital.

 

JAK tritt für nachhaltiges Wirtschaften ein und betreibt Aufklärung über die negativen Folgen einer Wirtschaft, die auf dem Zinsgeldsystem basiert. Wer bei JAK sein Geld anlegt, erhält keine Zinsen. Und wer hier Geld ausleiht, muss kaum Zinsen zahlen. Geht das? Recht gut sogar: Die einst als Genossenschaft gegründete Bank existiert schon seit vierzig Jahren und zählt heute rund fünfundzwanzigtausend Kunden und Einlagen von rund siebzig Millionen Euro. Im Prinzip arbeitet JAK ähnlich wie eine Bausparkasse: Die Mitglieder legen ihr Geld zusammen und verleihen es untereinander. So bleibt das Geld im Land und sorgt für die finanzielle Stabilisierung ländlicher Gebiete. Die meisten Kredite vergibt die JAK für den privaten Hausbau. Anleger können bestimmen, welche gemeinnützigen Projekte damit gefördert werden sollen.

 

Wie funktioniert das?

Wer bei einer üblichen Bank zum Beispiel hunderttausend Euro leihen will, kann diesen Betrag in hundert Raten zu je tausend Euro plus Zinsen tilgen und zahlt so in Summe – je nach Laufzeit – oft das doppelte oder mehr des geborgten Geldes zurück. Bei der JAK-Bank zahlt er stattdessen zweihundert Raten zu tausend Euro – und bekommt den „Überschuss“ von hunderttausend Euro anschließend zurück. So hat er hunderttausend Euro Kredit erhalten und zurückbezahlt und gleichzeitig hunderttausend Euro unverzinst angespart. Bereits während der Rückzahlungsphase steht dieses unverzinst gesparte Geld anderen Mitgliedern wieder als zinsloser Kredit zur Verfügung. Die Kosten der Bank werden über Mitgliedsbeiträge und Gebühren abgedeckt, die aber nicht steigen und fallen wie Zinssätze, sondern berechenbare Konstanten sind. Private Darlehen haben dann etwa einen effektiven Jahreszins zwischen ein und zwei Prozent. Zinseszins kann so nicht entstehen.

 

Zinsfreie Finanzierungen kann man heute auch über die vielen Crowdfunding Plattformen erhalten, die in den letzten Jahren wie die Schwammerln aus dem Boden gewachsen sind.

 

Das Crowdfunding bietet verschiedene Modelle an. Es gibt darlehensähnliche Modelle, aber auch Modelle, bei denen keine Zinsen bezahlt werden, sondern der Kreditgeber oder Investor statt Zinsen z.B. Waren oder Warengutscheine erhält. Mitunter wird auch ein Teil oder gar das ganze Kreditkapital so zurück bezahlt. Der Kreditgeber muss in diesem Fall ein Interesse am (zukünftigen) Produkt des zu finanzierenden Projektes haben.

 

In Talentetauschkreisen, die es in ganz Österreich gibt, werden Waren und Dienstleistungen nicht mit Geld, sondern mit Talenten bezahlt bzw. getauscht. Guthaben in Talenten werden nicht verzinst. Umgekehrt ist es aber auch möglich, einen zinsfreien Talente-Kredit zu erhalten. Wenn jemand z.B. ein Geschäft aufbauen will, bezieht er Leistungen z.B. von Handwerkern aus dem Tauschkreis, bezahlt diese mit Talenten, „überzieht“ dabei sein Talentekonto, akzeptiert in der Folge Talente als Zahlungsmittel und füllt es so mit zukünftigen Talenteeinnahmen wieder auf.

 

Ethische Banken, wie z.B. die GLS Bank in Deutschland, laden ihre Sparkunden zum freiwilligen Zinsverzicht ein. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass Kunden bereit sind, auf ein bis zwei Drittel der Zinsen zu verzichten, wenn sie dafür im Gegenzug sicher sein können, dass ihr Geld auf der anderen Seite nur für die Finanzierung von ethisch einwandfreien Projekten verwendet wird.

 

Mit Gradido, hat der Deutsche Bernd Hückstädt ebenfalls ein Geldsystem entwickelt, das wohl gänzlich ohne Zinsen auskommen würde. Ich weise hier aber nur auf meinen diesbezüglichen Artikel in Ausgabe Nr. 5 des Ja-Magazins hin.

 

Grundsätzlich kann jeder Kredit, so wie jedes andere Produkt auch, ohne Zinsen, sondern nur mit Kosten und Gebühren kalkuliert werden. Islamische Banken gehen so vor. Die Kreditkosten sind dann meist ähnlich wie im Zinssystem, Zinseszinsen und unerwartete Zinsschwankungen gibt es dabei aber keine. Auch die Vollgeldidee – über die ich im letzten Heft Nr. 11 geschrieben habe – führt dazu, dass der Staat das von ihm benötigte Geld wieder selbst (zinsfrei) schöpft, und nicht private Banken, die es ihm dann über verzinste Kredite oder Anleihen zur Verfügung stellen.

 

Und auch Gold ist natürlich Geld ohne Zinsen. Wenn sie einen Teil ihres Vermögens in Gold anlegen, erhalten sie dafür keine Zinsen. Trotzdem hat Gold seine Kaufkraft über Jahrtausende bewahrt, da es eben begrenzt vorhanden und somit nicht inflationierbar ist. (Näheres siehe meinen Artikel in Heft Nr. 3 „Geld zum Wohle aller, Teil 2 – Gold“).

 

Dann gibt es seit einiger Zeit noch diesen Hype um Bitcoins und Konsorten. Auch das ist eigentlich zinsfreies Geld, dessen Geldmenge festgelegt und damit limitiert und vor Inflation geschützt sein sollte. Was es mit diesem neuen Geld auf sich hat, werde ich in einem späteren Artikel behandeln.

  

Schafft sich das Zinssystem selbst ab?

Und last not least, kann man heute deutlich feststellen, dass das Zinssystem möglicherweise dabei ist, sich selbst abzuschaffen. In weit entwickelten Wirtschaften, mit hohen Geld- und Schuldenständen, ist es offensichtlich schlichtweg nicht mehr möglich, das Zinssystem aufrecht zu erhalten, ohne dabei einen Kollaps zu riskieren.

 

In den USA und Europa befinden sich die Leitzinsen der Zentralbanken auf historischen Tiefständen um 0% und teilweise sogar darunter – also im negativen Bereich. In Japan hält diese Situation bereits seit den 80er Jahren unverändert an. Auch in Europa ist für diese Situation kein Ende in Sicht. Alles in allem scheint es also zwar legitim, dass Sparer eine Entschädigung oder einen Bonus dafür erhalten, dass sie ihr Geld anderen Menschen für eine gewisse Zeit zur Verfügung stellen, andererseits ist ein Zinssystem, das „Reiche“ über Zins und Zinseszins ad Infinitum reicher und reicher, „Arme“ aber ärmer und ärmer macht, weder sozial noch wirtschaftlich nachhaltig und möglich. Vielleicht sollten wir einfach auch aus der Geschichte lernen und wieder unterscheiden, wer wofür Zinsen verlangen darf und von wem oder von wem nicht. Negativzinsen, wie sie sich heute entwickeln, könnten ein ideales Instrument sein, um die extreme Geldhortung von Superreichen abzubauen, den kleinen Sparer, der sich ein Sicherheits- oder Alterspolster anspart, sollte sie aber nicht betreffen. Gesellschaft und Politik sind hier gefordert, neue Modelle zu entwickeln und einzuführen, um aus der Spirale von Aufbau und Zusammenbruch auszubrechen. Die Ideen dazu sind da – nutzen wir sie – zum Wohle aller!

 

Quellen für die Artikel Teil 10/1-10/3:
- Wikipedia
- Matthias Lohrer - Die etwas andere Bank aus Schweden
- Michael Zorn - Geld zum Wohle aller, Ja-Magazin Ausgabe Nr. 2
- Michael Zorn – Gold, Geld zum Wohle aller – 2. Teil, Ja-Magazin Ausgabe Nr. 3
- Michael Zorn – Gradido, Geld zum Wohle aller – 4.Teil, Ja-Magazin Ausgabe Nr. 5
- Michael Zorn – Vollgeld, Geld zum Wohle aller – 9. Teil, Ja-Magazin Ausgabe Nr. 11

 

 

« Zurück zu Teil 2

seitenmann.at